ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

von der Freude, Briefe von fernen Freunden zu erhalten.

Ich war in angenehmer Begleitung nach Hause geritten. Hauptmann Alexander hatte überraschend Urlaub bekommen und wurde von seiner Mutter überschwenglich begrüßt.

Meine gute Frau freute sich sehr über mein Mitbringsel. Das Tuch des Fürsten paßte zu jedem Kleid und nahm jede Farbe und jedes Muster an, das man sich gerade wünschte.

Dann begann eine Zeit des Wartens, die aber dadurch verkürzt wurde, daß der Postreiter beinahe jede Woche in meinem Wirtshaus vorbeischaute. Ich hatte in meinem Leben gelegentlich schon mal einen Kassiber zugesteckt bekommen, aber noch niemals einen, der nach Weihrauch roch.

Der Postreiter brachte mir als erstes von einer Reihe von Schreiben einen kleinen zusammengefalteten Brief auf feinem Klosterpergament.

Fontes hatte offenbar in den ersten Tagen seiner erzwungenen Meditation durch das Gitter seiner Zelle ein religiöses Gespräch über kritischen Gehorsam mit Loger gehabt. Der Dieb besaß in diesen Dingen einige Erfahrung und hatte Fontes überzeugt, in Einzelhaft sei es das Wichtigste, körperlich und geistig gut in Form zu bleiben.

Fontes nahm also widerstrebend die Gaben an, die ihm heimlich durch das Gitter seiner Zelle gereicht wurden, und übte Liegestütze. Er berichtete nicht ohne Stolz, er könne schon drei einhändige und gelegentlich auch ein Hochstemmen in den Handstand.

Zur Erhaltung seiner geistigen Regsamkeit schrieb er Oden an die himmlischen Engelchen.

Wir sollten auf keinen Fall daran denken, ihn auf seiner nächsten Wallfahrt zu begleiten, aber vielleicht könnte ich mich nach einem guten Reservemaultier umsehen.

Etwas später kam ein dicker Brief der in zierlicher Handschrift an Onkel Gregor in Lahee adressiert war, und zielsicher den Empfänger erreichte.

Die Hosenrockmode hatte in Ber Gama Furore gemacht. Alle Damen des Bogenclubs trugen Hosenröcke und Stiefelchen. Der ausgemusterte Feldwebel, der von den Damen als Trainer engagiert worden war, lege großes Gewicht auf eine sportliche Erscheinung.

Der Rest der Tirade war schwer verständlich. Ich begriff noch, daß Raffaela ihr Herz führ die religiöse Kunst entdekct hatte, und oft die Wandmalereien in den Klöstern studierte.

So wurde also Fontes versorgt. Dunkel blieb der Satz, daß dies viel mühseliger zu bewerkstelligen sei, als im Städtischen Kerker.

Dann folgte ein Umrechnungskurs von Edelsteinen in Gold und das wiederum in Silber und die Wiedergabe einer gewichtigen Bemerkung des Barbaren, jede Truppe benötige eine Basis. Sicheren Boden gewann Raffaela wieder, als sie sich langatmig über modische Stoffe ausließ und mit einem förmlichen Gruß ihrer Mutter und des Kanzlers abschloß.

Ich brauchte jedoch nicht lange zu warten, um aufgeklärt zu werden. Diesmal schob mir ein Wandergeselle über den Tresen einen echten Kassiber zu. Ich drückte ihm eine Flasche Wein und drei Silbergroschen in die Hand, und er verschwand spurlos.

Loger war ernsthaft um seine Ausbildung und das Bestehen der Meisterprüfung bemüht. Wie alle anderen hatte er seine Juwelen Raffaela anvertraut. Seinen Hengst hatte er mit genauen Anweisungen einem zuverlässigen Pferdepfleger übergeben.

Dann hatte er als reisender Soldat Loger Schwartz eine kleine Zechprellerei begangen, die ihm genau vorausberechnete zehn Wochen im Städtischen Kerker eingetragen hatte.

Loger wohnte nun, wie er sagte, in der besten Adresse der Hauptstadt. Im gleichen Geschoß des Kerkers saßen zwei vornehme Herren ein, der frühere Bürgermeister von Stoppeldorf, und der Geschäftsführer einer Treuhandbaugesellschaft. Von diesen beiden lernte Loger viel. Auch die tiefverschleierte Dame, die wöchentlich zweimal mit einem Lebensmittelkorb erschien, war von den Feinheiten des Rechnungswesens tief beeindruckt.

Loger hatte Raffaela gerade noch davon abhalten können, ihr Taschengeld und ihre Beute von unterwegs in ein neues Projekt der beiden zu investieren, daß sie vom Kerker aus gerade munter in Gang brachten. Er hatte aber Raffaela beigepflichtet, eine Dame von vornehmer Herkunft, die später einem großen Haushalt vorstehen würde, müsse das Rechnungswesen perfekt beherrschen.

Es war ihm gelungen, Jambas Adresse zu ermitteln und dieser hatte einen Besuch im Kerker gemacht. Er verstand genau, worum es ging, und erklärte es Raffaela. Ein Satz Bücher sei für den lieben Ehemann, der immer alles genau wissen wolle, der andere Satz für die kleinen heimlichen Geschäfte. Er mache es mit dem Städtischen Kämmereiamt genauso.

Also lernte Raffaela bei Jamba das Rechnungswesen. Da Jamba bei den Damen der Stadt als Geheimtip für kostbare exotische Stoffe galt, fand Frau Kommer an dem Arrangement nichts unschickliches.

Loger bat mich, falls ich gelegentlich über einen Satz guter Dietriche stolpern sollte, diese für ihn zu besorgen. Auch an einem guten Langbogen sei er interessiert, falls mir einer günstig angeboten würde. Loger schloß mit dem besten Grüßen.

Von Donisl bekam ich einen kühlen politischen Bericht und eine warme geschäftliche Empfehlung. Die Ratssitzung war ruhig und ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Der König hatte dem Kanzler für seine Arbeit gebührend gedankt und er hatte Kommer mit der Zustimmung des Rats für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt.

Zwei Minister hatten aus Altersgründen ihr Amt niedergelegt, und waren ehrenvoll verabschiedet worden. Einer dieser Herren hatte seinen Alterssitz aus der Hauptstadt in das Herzogtum verlegt, was von allen sehr bedauert worden war.

Da zwischen dem Herzogtum und Reich bestes Einvernehmen herrschte, war es für den Herzog nicht mehr notwendig, eine so große Präsenz in Ber Gama zu zeigen, wie bisher, und er hatte das Personal seiner Botschaft erheblich verkleinert.

Mit den Angelegenheiten des Reichs stand es also zum Besten.

Donisl meinte das allerdings auch von unseren Angelegenheiten. Er setzte es als sicher voraus, daß ich mich an dem geplanten Unternehmen beteiligen werde.

Der Schatzsuche gab er keine große Aussicht auf Erfolg, doch es würde ein Abenteuer werden, von dem ich meinen Enkeln und er seinen Kindern später einmal hundert Geschichten erzählen könnten.

Die Reise in den Süden könne einem doppelten Zweck dienen. Trent d'Arby wolle doch dort Land nehmen, und wenn seine Freunde auch nur halb so kühle Rechner wären wie er, würde die Sache ein hundertprozentiger Erfolg.

Donisl war entschlossen, sich an dem Unternehmen zu beteiligen und hatte Loger und Raffaela bereits in der Tasche. Trent d'Arby, der von meinem militärischen Possenspiel stark beeindruckt worden war, bot mir über Donisl für einen halben Einsatz einen vollen Anteil an. Er vertraute sicher darauf, ich würde den besten Platz für ein erstes befestigtes Lager finden, und die besten Ackerflächen und Weidegründe erkennen.

Trent d'Arby, so berichtete Donisl, habe sich zur Zeit als Fechtpartner bei der Garde verdingt und verdiene dort ein sehr hartes Brot.

Ich unterbrach die Lektüre und dachte nach. Der Plan gefiel mir. Er erschien sogar aussichtsreicher, wenn man in etwas größeren Dimensionen dachte. Auch das Reich hatte vor einigen hundert Jahren Interesse am Süden gezeigt und einige Besiedlungsversuche unternommen.

Aber vielleicht dachte auch Donisl bereits in größeren Dimen-sionen. Leider sei keine Stelle für einen Kopisten in Fontes Kloster frei gewesen, und so habe er eine Aushilfsarbeit in der Staatskanzlei angenommen. Er sortiere dort alte Adelsbriefe und Grundbesitzurkunden.


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